Deniz Sertkol – Transit Deutschland
Eine Ausstellung von Deniz Sertkol – 19.-22. November 2015
Über den „Eindringling“ bemerkt der Philosoph und Autor Jean-Luc Nancy in seinem gleichnamigen Essay:
Bleibt er ein Fremder, nachdem er angekommen ist, hört sein Ankommen nicht auf.
Er wird nicht einfach ‚heimisch’, zumindest so lange nicht, wie er eben ein Fremder bleibt. Er ist weiterhin einer, der ankommt, der sich im Kommen befindet. Sein Ankommen ist in jeder Beziehung immer noch ein Eindringen. Es kann sich auf kein Recht, keine Vertrautheit, keine Gewöhnung berufen, im Gegenteil: es ist eine Störung, ein Aufruhr im Innersten.
In diesem Falle handelt es sich bei dem „Eindringling“ um ein fremdes Herz, das Nancy transplantiert wurde. Die Auswirkungen der Transplantation reflektiert er in seinem Aufsatz analog zu den Auswirkungen der Ankunft eines Fremden. Dieses Ankommen ohne Unterlass kann als permanenter Transitzustand gesehen werden und lässt sich in vielerlei Hinsicht auf Migrationserfahrungen übertragen.
Im Rahmen meiner Masterarbeit „Transit Deutschland – Gegenbilder deutschtürkischer Realitäten“ habe ich fünf kurze und einen mittellangen Film zum Themenkomplex „türkische Migration in Deutschland“ produziert.
Die Filme werden vom 19. bis zum 22. November im Apartment Project, Hertzbergstr. 12, 12055 Berlin-Neukölln zu sehen sein. Die Vernissage findet am 19. November um 19 Uhr statt. Eintritt ist frei, die Einkünfte aus Getränkeeinnahmen werden an „Moabit hilft“ gespendet.
Der längste Film Transit Deutschland (Deutschland 2015, 33:07 Min., Deutsch/Englisch/Türkisch) ist ein experimenteller Dokumentarfilm. Zu sehen sind vier Taxifahrten, die durch einen vierfachen Split-Screen getrennt werden und parallel zu sehen sind. Drei der vier Sequenzen zeigen den Taxifahrer Hüseyin Kurubulak mit verschiedenen türkeistämmigen Fahrgästen. Die vierte Sequenz ist eine Fahrt durch Berlin aus der Beifahrerperspektive. Die Audiospur ist asynchron und besteht aus verschiedenen Fragmenten der einzelnen Fahrten. Darin geht es um Begriffe wie Integration, Freiheit, deutsche Willkommenskultur oder Feminismus.
Die Asynchronität will Raum für eigene Projektionen und Gedanken zum Thema eröffnen. Sie will aufmerksam machen auf das ambivalente Verhältnis von Bild und Text.
Die fünf kurzen Filmarbeiten fasst Deniz Sertkol als Imperative an Deutschland zusammen. Sie alle haben im Titel eine Aufforderung an ein personifiziertes Deutschland und erörtern das Verhältnis von Migration und Nation, von Fremd und Eigen, von Bild und Repräsentation.
– Answer me, Germany (Deutschland 2015, 13:52 Min., Englisch) Fünf Türkeistämmige stellen Fragen an Deutschland
– Inspire me, Germany (Deutschland 2015, 03:16 Min., ohne Dialog) Fünf Türkeistämmige kauen Kaugummi
– Kiss me, Germany (Deutschland 2015, 01:36 Min., ohne Dialog) Zwei bärtige Frauen, die deutsche Nationalhymne und ein Kuss
– Love me, Germany (Deutschland 2015, 04:56 Min., Englisch) Fünf Türkeistämmige teilen diskriminierende Erfahrungen
– Picture me, Germany (Deutschland 2015, 02:13 Min., Englisch, s/w) Zeitungen, eine Frau und eine Stimme, die über sie spricht
Die Filme sind Teil der Abschlussarbeit von Deniz Sertkol, die im Rahmen des Masterstudiengangs “Europäische Medienwissenschaft” an der Universität/Fachhochschule Potsdam entstand und von Prof. Anne Quirynen und PD Dr. Michael Mayer betreut wurde.
Teilnehmer_Innen:
Deniz Sertkol
Projektart:
Ausstellung, Film-Präsentation
Ort:
Berlin
Jahr:
2015