Situational Dictionary :NOW
22.06. – 15.08.2018
Lerna Babikyan, Ece Gökalp, Ezgi Kılınçaslan, Ceren Oykut, Mustafa Pancar, Özlem Sarıyıldız
Organisiert von / Organized by: Selda Asal & Kristina Kramer
Situational Dictionary:NOW
Eigentlich sollten wir im Hier und Jetzt leben. Aber Situationen können sich plötzlich ändern und das Hier wird unmöglich, das Jetzt zu einem vorübergehenden Zustand zwischen Vergangenheit und Zukunft. So abrupte Veränderungen werden oftmals durch externe Ereignisse ausgelöst, auf die wir keinen Einfluss haben. Sie bringen die Lebenspläne durcheinander und zerstören soziale Bindungen. Dort wird das neue Hier, zusammen mit dem Gefühl, in eine Situation geworfen zu werden, die mit neuen Implikationen, Anforderungen und Regelwerken einhergeht. Ein solcher Neuanfang steht auf zerbrechlichen Fundamenten und hat einen offenen Ausgang. Oft scheint es jedoch keinen anderen Ausweg zu geben. Im Fahrwasser der sozialpolitischen Turbulenzen der letzten Jahre in der Türkei verlassen immer mehr Intellektuelle, Künstler*innen und Kulturschaffende ihre Heimat und kommen nach Berlin.
In diesem neuen Umfeld begegnen sie unbekannten kulturellen und sozialen Bedingungen, die auch Einfluss auf ihr künstlerisches Schaffen haben. Neben den viele Herausforderungen im dichten Bürokratiedschungel gibt es nicht zuletzt auch praktische Hürden zu nehmen, wie z.B. das Fehlen eines Ateliers zum Arbeiten. Darüber hinaus gehören zumeist andere Formen der Abwesenheit, die tief verwurzelt sind und existentiellere Fragen berühren, zu den prägenden Erfahrungen.
Geschichtenerzähler*innen wie Ceren Oykut und Mustafa Pancar sehen sich mit einem tiefen Einschnitt in ihrer künstlerischen Praxis konfrontiert. Kritisch und humorvoll zugleich hielten beide in Istanbul den Alltag der Stadt und ihrer Bewohner fest. Oykut in lebhaften Zeichnungen und Pancar in figurativen Ölmalereien. Aber wo bleibt in einem unbekannten Kontext, in dem die Sprache fremd ist und das soziale Leben noch nicht erschlossen, Raum für das Erzählen von Geschichten? Wenn die Geschichten von zu Hause verheerend sind und das neue Terrain noch erkundet werden muss, wo soll man anfangen? Nach einer Phase der „Sprachlosigkeit“ regenerieren Oykut und Pancar ihre künstlerische Sprache auf neue und unerwartete Weise.
Ausländer zu sein, kann mitunter situationsbedingt und sozial entfremdend sein. Im Zustand emotionaler Isolation und ohne gefestigte soziale Bindungen kann sich ein Raum für Introspektion und existentielle Reflexion öffnen, wie die Fotoserie von Ece Gökalp und in die filmischen Bildern von Ezgi Kılınçaslan zeigen. In ihrer Serie über zerbrochene Bäume aus den Berliner Wäldern konzentriert sich Gökalp darauf, mit der Kamera die melancholische Schönheit zu erfassen. Da sie sich wie in zwei Städten fühlt – zwei Hier zur gleichen Zeit – kombiniert sie diese Baumporträts mit Porträts von Menschen in Istanbul.
Kılınçaslan beschäftigt sich mit dem Tod und dem, was von einem bleibt, nachdem man gegangen ist – etwas Physisches, irgendwelche Abdrücke, Fußspuren oder vielleicht etwas anderes, das an die frühere körperliche Präsenz erinnert. Gleichzeitig wirft sie die Frage nach Identität auf, oder genauer gesagt, nach dem Übergang vom Leben zu seinem ultimativen Anderen, dem Tod, wo Identität keine Rolle mehr spielt. Vor diesem Hintergrund wird die Zugehörigkeit zu einer Nation, zu einer Religion, zu einer Kulturgruppe oder einem Geschlecht irrelevant und Identitätslosigkeit wird zu einer Bedingung und zur einzigen Möglichkeit, um sich mit anderen Menschen auf Augenhöhe zu treffen.
Die Video-Serie von Özlem Sarıyıldız ist von einer anderen Art von Selbstreflexion angetrieben. Auf Grundlage ihrer eigenen Erfahrungen als jemand, der die Türkei aufgrund der Entwicklungen der letzten Jahre kürzlich verlassen hat, befragte sie andere Neuankömmlinge zu ihren Gedanken und Erfahrungen. Diese Interviews verdichtete sie zu einer Collage von Migrationserfahrungen, in der unklar ist, wo eine Geschichte endet und eine andere beginnt.
In ihrem neuen Stück beschäftigt sich die Tänzerin Lerna Babikyan mit den Wurzeln, die Menschen in ihren Heimatländern entwickeln, aber auch mit solchen Wurzeln, die sie in neuen Ländern aufbauen. Ihr dichtes Netz von Referenzen ähnelt letztendlich einer Spirale – ein Symbol für große Konzepte wie Evolution, Leben, Bewusstsein und Schöpfung.
So viele Gründe es für den Umzug aus der Türkei nach Berlin gibt, und so vielfältig und persönlich die Erfahrungen in diesem Prozess der Umsiedlung auch sein mögen, im Kern dieses gegenwärtigen Übergangsprozesses im Leben so vieler zeigen sich auch eine Reihe von Gemeinsamkeiten. Für Künstler*innen bedeutet dies auch einen nahezu unvermeidlichen Einschnitt in ihrer künstlerischen Praxis und manifestiert sich in ihren Arbeiten, die viele ihre “Berliner Werke” nennen.
Ece Gökalp
“The Weak of the Forest” ist eine Arbeit, die sich auf mein Leben bezieht, auf den momentanen Übergang vom Studium zum Berufsleben, auf die Jahre, die ich bereits in Berlin lebe und mich immer noch eingewöhne, sowie auf die Auswirkungen dieser Veränderungen auf mein tägliches Leben. Die Serie besteht aus zwei Teilen: aus neun Porträts umgestürzter Bäume in Berliner Wäldern und drei Porträts von Menschen in Istanbul. Sie versinnbildlicht für mich mein momentanes Leben und die Gefühle, die ich damit verbinde.
Als ich anfing, die Porträts der Bäume aufzunehmen, geschah das aus einem ganz einfachen Grund: Es war Frühling in Berlin und es war jene Zeit, in der ich mit meinem Hund in den Wäldern spazieren ging. Ich fühle mich in den Wäldern oder an Orten, die der Natur näher sind, besser. Und wenn ich in die Natur gehe, nehme ich fast immer meinen großen Wanderrucksack mit der Fotoausrüstung und meine Mittelformatkamera zusammen mit anderen kleineren Kameras mit. Der Grund dafür, warum ich aus diesen entspannten Spaziergängen eine schwergewichtige Expedition mache, liegt wahrscheinlich darin, dass ich nichts verpassen möchte. Aber was kann man in einem Wald schon verpassen? Wenn ich darüber nachdenke, stelle ich fest, dass ich mich weniger einsam fühle, wenn ich fotografierte. Mehr noch, ich fühle mich weniger einsam, wenn ich von Landschaft und Natur umgeben bin. Zu wissen, das nur wenige Menschen um mich herum sind, lässt meine Verwirrung über die Einsamkeit weniger werden.
Einsamkeit und Zusammengehörigkeit stiften mehr Verwirrung, wenn man unter Menschen ist. In einer Beziehung zu sein, eine Familie zu haben, von Freunden umgeben zu sein legen den Schluss nahe, dass man nicht einsam ist. Unsere physischen Bedingungen widersprechen jedoch und das was dem, was uns in den Sinn kommt und das, was in unserem Kopf vorgeht, äußert sich in Gefühlen. Was in meinem Kopf vorging offenbarte sich auf den Filmrollen aus den Berliner Wäldern: Ich sah, dass ich nur die umgestürzten Bäume fotografiert hatte. Ich habe schon vorher Wälder fotografiert, aber diesmal schien ich ausschließlich das zu sehen, was umgestürzt war. Auch wenn der Frühling in den meisten Kulturen das Symbol für ein neues Leben und einen neuen Anfang ist, so nahm ich an diesem Punkt in meinem Leben nur diese Bäume wahr. Dann hörte ich auf, über mein Leben nachzudenken. Ich bewunderte diese Bäume, wie sie sich neigten oder aufeinander fielen oder ab halber Höhe vertrocknet und zerbrochen waren.
Und ich erkannte, dass ich zunächst unbewusst jedem Baum eine bestimmte Persona, eine Persönlichkeit, zuordnete. Bei einigen dachte ich, dass sie einfach aufgegeben hatten, ein Baum zu sein. Einige waren einfach schwach im Sinne einer Person, die schwach ist. Um meine Gefühle und meine pessimistischen und verworrenen Gedanken zu verstehen, las und forschte in der Literatur und stieß auf eine philosophische Frage des 18. Jahrhunderts (die Frage ist immer noch hinlänglich bekannt, aber ich hatte sie vergessen und war begeistert, als ich sie wieder fand).
Obwohl ich in meiner Recherche auf viele interessante Fakten über Wälder und die Verhaltensweisen von Bäumen stieß, war diese Frage mein Aha-Moment, jener Moment, in dem mein Gehirn nach meinem Belieben las und verstand, in dem ich dieser Frage meine eigene Bedeutung gab und ausblendete, welche Interpretationen und Schlüsse die Empiriker seiner Zeit vorschlugen.
„Macht ein Baum, der im Wald umfällt, auch dann ein Geräusch, wenn ihn niemand hört?“
Diese Frage steht seit Jahrhunderten im Zentrum hitziger Debatten, vor allem in denen der Empiriker. Zugeschrieben wird sie George Berkeley, der sie in Eine Abhandlung über die Prinzipien der menschlichen Erkenntnis, veröffentlicht 1710 in Dublin, aufgeworfen hatte. Berkeley behandelt die Frage, ob die Dinge als geschehene Ereignisse betrachtet werden können, wenn sie nicht wahrgenommen werden. Als Bischof beantwortet er dies, kurz gesagt, mit Gott. So wie Gott alles wahrnimmt, so kann alles als geschehen betrachtet werden, da Gott zu allen Zeiten überall ist. Obwohl die philosophischen und die wissenschaftlichen Fragen zur Phänomenologie durch die Geschichte hindurch variieren, war meine kurze und einfache Untersuchung, warum diese jahrhundertealte Frage bei mir so ein großes Echo erzeugte, etwas emotionaler. Ich realisierte, dass ich einige schwierige Ereignisse und Jahre hinter mir hatte, seit ich nach Berlin gezogen bin, und dass ich mich oft ganz alleine fühlte, obwohl ich meine Freunde und Familie hier oder anderswo erreichen konnte.
Jetzt, da diese schwierigen Zeiten hinter mir liegen, fühle ich — und ich nehme an, dass die meisten Menschen, die ein Trauma erfahren haben, sich auch so fühlen — , dass der Begriff Einsamkeit weit komplexer ist als wir ihn meistens benutzen.
Im Wald zu sein, in dieser friedlichen Umgebung, wenn sich der neue Kreislauf des Lebens in der Natur zeigt, gab mir das Gefühl, dass alles so ablief, als wäre nichts geschehen.
Das war für mich sehr erhellend und ich dachte, ich könnte dies mit den Porträts aus Istanbul verbinden. Nachdem ich mich für längere Zeit in dieses Thema vertieft hatte, reiste ich für eine Ausstellung nach Istanbul. Da ich mich innerlich immer noch damit beschäftigte, fiel mir auf, dass ich mich in Istanbul gar nicht so anders fühlte, aber immer noch anders genug. Am Ende wollte ich die Art und Weise zusammenbringen, die ich selbst und die meisten
Menschen in manchen Abschnitten ihres Lebens erfahren. Aus meiner Perspektive, mit zwei Städten.Ich habe den Satz von Berkley in drei Teile geteilt und unter die Porträts der Menschen geschrieben. Letztendlich ist die
Quintessenz dieser Porträts von Menschen vor der Stadtsilhouette von Istanbul und den umgestürzten Bäumen aus den Wäldern von Berlin eine kleine
fotografische Notiz in dem Medium in dem ich mich am besten ausdrücken kann, diese Zeiten in Zukunft
hoffentlich im Guten zu erinnern.
Özlem Sarıyıldız
Zwei Videos, die zusammenarbeıten oder sich ergänzen:
WELCOMED TO GERMANY & ZAHIR
VIDEO I: WelcomedToGermany? basiert auf den mündlichen Erzählungen von Menschen aus verschiedenen Bereichen des Kulturbetriebs, die in den letzten fünf Jahren von der Türkei nach Deutschland ausgewandert sind. Sie ist
selbstreflexiv in dem Sinne, dass die Produzenten der Arbeit selbst an diese Erfahrung gemacht haben. Die Interviewenden sind die Befragten, die Subjekte sind die “Objekte”.
VIDEO II: Zahir ist ein impressionsgeladenes Video, das in Anlehnung an WelcomedToGermany? entstanden ist. Ich leihe die Erfahrungen, um sie in meinen Erfahrungen zu multiplizieren und um eine Vision “mit vier Gesichtern” zu schaffen. Das Video besteht ausschließlich aus Bildmaterial, das von den Interviewten in Welcomed to Germany? aufgenommen wurde, Bilder, die sich auf die erzählten Geschichten beziehen. Der Audio-Teil ist eine Soundcollage aus Wortfetzen der Interviewten.
In den vergangenen zehn Jahren kam es in der Türkei zu einem enormen und immer noch anhaltenden Einbruch bürgerlicher Freiheiten. Das Land ist im Jahr 2018 ein völlig anderes als noch vor einem Jahrzehnt. Die ersten fünf Jahre der AKP-Regierung (2002-2007) haben durch die laufenden Verhandlungen mit der EU eine Reihe von Reformen aufgezeigt. Nichtsdestotrotz nahmen die vom Staat verübten Menschenrechtsverletzungen, die Gewalt gegen und die Diskriminierung von Frauen und Minderheiten, die Gesetze und Vorschriften zur Einschränkung der Meinungsfreiheit in den darauf folgenden Jahren stetig zu. Die Intoleranz jeder Art von oppositioneller Meinung ist zu einem Grundmotiv im Land geworden. Den Wahlen von 2011, die der Regierungspartei AKP die Mehrheit im Parlament und eine Vormachtstellung verliehen, folgte eine bedeutende Wende im «Demokratisierungsprozess», der zuvor von westlichen Verbündeten wie der EU und den US Anerkennung erfuhr. Das Wirtschaftswachstum der ersten Regierungsjahre verlangsamte sich durch die Einschnitte und den Zusammenbruch im öffentlichen Sektor, nachdem eine Reihe schwerer Korruptionsfälle bekannt geworden war.
Daneben kam es zu einer Reihe von tödlichen Anschlägen, dem Ende des Friedensprozesses mit den Kurden, einem gescheiterten Militärputsch, einem immer noch andauernden Ausnahmezustand, einem Referendum, das das Land von der parlamentarischen in eine präsidiale Republik überführen und dem Präsidenten Erdoğan eine noch nie dagewesene Machtfülle verleihen soll, sowie einer vorgezogenen Präsidentschaftswahl die seine Macht auf unbestimmte Zeit zementiert. Die letzten fünf Jahre erlebten eine enorme Zensurwelle in allen Bereichen des kulturellen Lebens. Sowohl die Anzahl als auch die Absurdität der Fälle nahm in einem Maße zu, wie es zuvor undenkbar und unvorstellbar gewesen ist. Vor allem nach der Gezi Park Rebellion im Jahr 2013 mussten viele Menschen fliehen oder „entschlossen sich“ das Land auf der Suche nach einem „neuen Leben“ zu verlassen. Dies führte zu einer regelrechten Migrationsbewegung vor allem bei Oppositionellen, Kulturschaffenden verschiedener Fachrichtungen, Akademiker*innen, Journalist*innen, Künstler*innen u.a. Deutschland, vor allem aber Berlin, ist erklärtes Ziel für die Neuankömmlinge. Und eine neue Diaspora, hat sich buchstäblich angefangen zu konstituieren.
Ich bin erst kürzlich nach Berlin gezogen, mit ähnlichen Sorgen wie die meisten Neuankömmlinge. Zwar lassen sich unter ihnen ähnliche Muster feststellen, jedoch hat jeder oder jede einzelne seine oder ihre eigene persönliche Geschichte zu erzählen. Seit ich hierher gezogen bin, habe ich Dutzende solcher Geschichten gehört und meine eigenen Erfahrungen mit anderen geteilt. Und je mehr ich über die Erlebnisse und Erfahrungen der anderen höre, desto mehr verändert sich auch mein Blick auf meine eigene Erfahrung. Ich fühle mich selbst „verändert“. Der Moment der Entscheidung das Land zu verlassen ist natürlich ganz individuell und vom Charakter und der geistigen Haltung geprägt, aber er gibt auch Informationen über bestimmte Abschnitte der jüngsten politischen Agenda der Türkei. Darüber hinaus lässt sich aus den persönlichen Geschichten eine sehr genaue soziopolitische Landkarte der jüngeren Geschichte in der Türkei zeichnen. Aus dieser neuen Saat wird eine zukünftige Gesellschaft mit ganz neuen Eigenschaften, transnationalen Beziehungen, neuen Konzepten und neuen Arten der Existenz entstehen, die darauf wartet, näher untersucht zu werden. Künstlerische Forschung kann zu diesem Entstehungsprozess mit seinen Besonderheiten einen großen Beitrag leisten. Als Teil dieser neuen „Gemeinschaft“ und von meiner Neugier getrieben, war der Prozess der Selbstbeobachtung während der Produktion dieser Arbeit für mich als Künstlerin eine grundlegende Erfahrung.
MANIFEST:
‘‘Auch wenn sich nur wenige Menschen daran erinnern können, wie die Welt einst war, werden wir nicht berücksichtigt, da wir unsere Verbindungen zur Realität gekappt haben. Die Erinnerung und Fantasie auch nur einer einzigen Person kann uns zusammenbringen.’’ Meltem Gürle
Was ist ein Wörterbuch – eine abtrünnige a priori Frage:
Wörter, Listen, Bedeutungen, Definitionen, Übersetzungen, Aussprachen („wie man es sagt“), Etymologie (Quellen, Genealogien) etc. Alle Bilder, die dem Begriff dictionary zugeordnet werden, erinnern an Kategorien, Namen, Hierarchien oder ein postuliertes Machtverhältnis.
Wörterbücher nehmen für sich in Anspruch, die „Rechtscodes“ für Sprachen zu sein, und sie stellen die Codes per se dar. Die Konstituierung der Codes als solche erfordert eine hierarchische Struktur und reproduziert die Hierarchie durch ihre kontinuierliche Machtbeständigkeit. Um den bestehenden strukturellen Habitus zu erhalten, müssen die Wörter entsprechend dem laufenden Korpus definiert, beschrieben, transformiert und erlebt werden.
Die Bedeutungen, auf die man sich einmal verständigt hat, werden zu festen Bedeutungen und fällen ein Urteil. Dieses Urteil ist nun der Korpus. Mehr und mehr in jedem Wort… Die Wörter schaffen Realität. Die Wörter prägen die Realität. Ein Wörterbuch beansprucht eine Realität. Diejenigen, die die Wörterbücher schreiben, sind diejenigen, die die Geschichte schreiben. Oder umgekehrt … Diejenigen, die die Geschichte schreiben, sind diejenigen, die die Wörterbücher schreiben. Das Schreiben von Geschichte erschafft die Geschichte, und die gesamte moderne Geschichtsschreibung ist nichts anderes als ein Kampf um das Schreiben der Geschichte. Aber es gibt nie nur eine Geschichte und es wird nie nur einen Geschichtenerzähler geben. Wer auch immer ein Wörterbuch schreibt, beschreibt eine Bedeutung, die Bedeutung; und so schreibt er oder sie ein Wörterbuch für heute, schreibt die Geschichte für heute und nicht nur das Wörterbuch von heute. Wenn ein Wörterbuch auch ein ‚Teilbericht’ ist, werden meine eigenen Wörter und Notizen meinen selbstreflexiven Bericht schreiben. Indem ich meine eigenen Wörter beanspruche, beanspruche ich ein kollektives Wörterbuch: ein Wörterbuch des Gemeinsamen, ein Wörterbuch für die Gemeinheit. Es ist ein Anspruch, Geschichte durch Nebengeschichten zu schreiben: mutato nominee de te fabula narratur [mit verändertem Namen erzählt die Fabel von dir]. Indem wir unsere eigenen Wörterbücher schreiben, wird unsere eigene Geschichte zum Widerstand gegen die Tyrannei. Aber was ist, wenn wir nicht darauf aus sind, zu beschreiben oder zu definieren? Wir müssen Wörter weben, wir müssen zu Wortweber*innen werden. Das Wörterbuch ist nie nur ein Widerstandsmodus, sondern vielmehr mehrere, miteinander verwobene Widerstandsmodi.
Das Schreiben unserer Wörterbücher hat nichts mit der Legitimierung unserer Wörter zu tun: Wir brauchen keine Legitimation, sondern nur Zirkulation und Ausdauer. Wir bestehen auf unseren eigenen Erinnerungen. Wir widersetzen uns dem Vergessen. Wir schreiben unsere eigenen Geschichten. Das
ist meine Geschichte. Ein Wort existiert, wenn wir es benutzen, wenn wir es aussprechen. Unsere Erzählungen sind nicht die Alternativen zu diesem oder jenem. Sie sind Singularitäten. Sie existieren jenseits von Kategorien, jenseits von Hierarchien.
Sie sind ständige Versuche, das “Wie” zu finden. Jedes Wörterbuch ist ein Versuch, andere Wörterbücher zu berühren.
Das Wörterbuch eines Tyrannen kann nicht meine Autorität sein, ich wähle meine eigenen Worte. Ich erzähle meine Geschichte, die mit allen Geschichten verwoben ist, und alle berühren meine.
Lerna Babikyan
Gedicht von Lerna
Trennung beginnt mit der Entfremdung gemeinsamer Gespräche des äußeren Kreises. Im nächsten Schritt kann der Sinneskörper die Eindrücke von Gesprächen nicht richtig fassen und verdauen…
Schatten werden real und die Realität wird zu Schatten…
In dem Moment der Erkenntnis, dass es keine Trennung zwischen ihnen gibt, findet die Persona das Selbst bereits auf anderem Territorium…
Stabilität erobert die Gegenwart nur langsam…
unter den Atemzügen,
schaffen Wurzeln ein neues Land vertikaler und lateraler taktiler Empfindungen…
Verbindungen und Netze entstehen aus unerwarteten, ungewöhnlichen Formen der Dekonstruktion.
Excerpt from Interview
„Stabilität macht alles greifbar, langsam aber stetig auch die Gegenwart.
Zwischen den einzelnen Atemzügen entsteht eine neue Art von vertikalen und lateralen Wurzeln. Im übertragenen Sinne sehen wir uns als Menschen, die mit beiden Beinen auf dem Boden stehen und deren Wurzeln nach unten reichen.
Wenn man in einem neuen Land ist und neue Erfahrungen macht, beginnt man, auch Wurzeln zu den Seiten auszubilden, nicht nur nach unten. So fängt man an, in unerwartete Richtungen zu denken und unerwartete Wege einzuschlagen. Und mit diesem Netzwerk aus neuen Wurzeln in unerwarteten und ungewöhnlichen Formen des Lebens und der Dekonstruktion, organisiert man sich neu. Es kommt also zu einem Dekonstruktions- und Rekonstruktionsprozess mit diesen neuen Wurzeln.“
Ceren Oykut
Ceren Oykut im Gespräch mit Erden Kosova
Erden Kosova: Zuletzt habe ich deine Arbeiten in deiner Einzelausstellung in der griechischen Grundschule in Galata im Jahr 2015 gesehen. Nach dieser Ausstellung hat sich dein Leben verändert, du bist nach Berlin gezogen. In der Ausstellung hier im Apartment Project in Berlin stieß ich auf drei völlig unterschiedliche Arbeiten, die sich zunächst nicht als zusammenhängende Gruppe lesen lassen. Es handelt sich um drei unterschiedliche Werke, die auf drei verschiedenen Materialarten und drei verschiedenen Arten von Räumlichkeit beruhen. Eines der Werke spielt mit Schatten und dreidimensionalen Formen. Ein anderes ist eine Projektion, und in der Mitte hängen traditionell gerahmte Zeichnungen. In Bezug auf die Zeitlichkeit sehen wir auch drei verschiedene Modi. Die Installation mit Stahlpanelen und Inschriften vermittelte eine chaotische Zeitlichkeit. Man erkennt Kritzeleien und auf der Rückseite auch Spuren von Löschung oder Korrektur, während die Projektion aus einer Folge von Bildern besteht, fast wie eine Animation. In den Zeichnungen im Zentrum scheint alles gleichzeitig zu geschehen, wenn verschiedene Ereignisse und Orte in einzelnen Kompositionen zusammenkommen. Vielleicht kannst du mehr darüber sagen, aber es gab auch eine Zirkularität im Zentrum dieser Zeichnungen.
Ceren Oykut: Ja, diese beiden Zeichnungen veranschaulichen die Grundgedanken, die ich erreichen möchte.
EK: In der Wandinstallation kann man leicht erkennen, dass es sich um Kritzeleien handelt, die während eines Sprachkurses entstanden sind.
CO: Es geht nicht um einen Sprachkurs. Es ist der Ausgangspunkt der Arbeit.
EK: Wir sehen den ersten Kontakt mit der deutschen Sprache und erkennen, dass sie aus einem Notizbuch stammen.
CO: Die Sprache steht im Mittelpunkt dieser Arbeit. Sprache ist wie die Umgebung. Wenn man die Sprache ändert, ändert man auch die Umgebung. Ich habe versucht, die Veränderungen in der Umgebung zu beschreiben. Ich muss zuerst mein Umfeld erfassen, bevor ich anfangen kann, Dinge zu zeichnen. Also habe ich versucht, die neue Umgebung darzustellen, in der ich mich befand, nämlich die Sprache.
EK: Alle drei Arbeiten sind für sich genommen sehr interessant, aber es scheint auch eine übergreifende Brücke zwischen diesen einzelnen Stücken und Geschichten zu geben: die Veränderungen, die du in den letzten zwei Jahren erlebt hast, nämlich den Wechsel von einer Stadt zur anderen, und die psychologische Transformation, die mit dem Wechsel von Istanbul nach Berlin einher ging. Du hast mir gesagt, dass die Installation und die Projektion hauptsächlich deine realen Lebenserfahrungen darstellen, während die beiden zentralen Zeichnungen aber eher Fantasien und Zukunftsprojektionen sind.
CO: Zeichnung ganz allgemein besteht aus zwei grundlegenden Dingen, Tinte und Papier. Wenn ich nicht zeichnen kann, fühle ich mich verloren und verzweifelt. Es ist ein sehr portables Medium. Ich kann die Utensilien leicht überall hin mitnehmen, und ich fühle mich wohl, wenn ich mit dem Zeichnen über Dinge spreche, wohin ich auch gehe. Aber natürlich gab es Perioden, Monate, in denen ich nicht zeichnen konnte. In Istanbul hatte ich bereits mit den Vorbereitungen für Berlin begonnen. Ich habe angefangen, Deutsch zu lernen. Ich kann mich vielleicht immer noch nicht gut auf Deutsch ausdrücken, aber ich habe eine Beziehung zur Sprache. Ich habe versucht, bestimmte Wörter aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, zu erfassen und zu fühlen. Mehr als sechs Monate, vielleicht ein Jahr lang, füllten sich die Notizbücher aus dem Sprachkurs mit Kritzeleien und den Zeichen meines Kampfes mit der Sprache. Als ich in Berlin ankam und eingeladen wurde, an Ausstellungen teilzunehmen, hatte ich nur diese Notizbücher, also beschloss ich, mit dem zu beginnen, was ich zur Hand hatte. Als ich anfing, an dem Notizbuch zu arbeiten, entwickelte es sich zu diesem Wandbild. Was Sie hier in der Ausstellung sehen, ist also noch nicht ganz fertig. Es blieb ein Jahr lang in der Galerie. In der Zwischenzeit gab es andere Ausstellungen in der Galerie. Die anderen Künstlerinnen und Künstler haben es mitunter mit Papier abgedeckt und hatten mit diesem Ding in der Ecke des Raumes zu kämpfen. Ich habe bis zu dieser Ausstellung gewartet, um sie zu überarbeiten, weil mir etwas fehlte. Es gab etwas, das meine Erfahrung hier in Berlin nicht erklären konnte. Eine schwerere dreidimensionale Ergänzung war notwendig. Also begann ich mit Eisen zu arbeiten, was einen ganz anderen Prozess erfordert. Das Material wurde mir von einem Metallbildhauer, KAI, vorgestellt, der an kinetischen Skulpturen arbeitet. Er öffnete sein Atelier und zeigte mir, wie ich diese Metallplatten für die Ausstellung bearbeiten kann. Mit einem Heizgerät und einer Lötmaschine habe ich all diese Buchstaben, Kritzeleien und Schattierungen ausgeschnitten, die ich auf die Bleche projiziert hatte.
EK: Es gibt hier viele kontrastierende Elemente: Schwere und Leichtigkeit, Dunkelheit und Licht, die Sperrigkeit der Metalle und die Schwerelosigkeit der Schatten. Du hast einmal gesagt, dass dieser krasse Gegensatz etwas ist, das du in Berlin erlebt hast, richtig?
CO: Ja, diese Gegensätze gibt es in Berlin. Ich kann es nicht konzeptionell beschreiben, aber das ist etwas, was ich hier im täglichen Leben erlebe und fühle. Ich kann die Gründe nicht erklären, weil ich die Stadt immer noch nicht sehr gut kenne, aber meine Erfahrungen haben mich zu diesen formalen Entscheidungen geführt.
EK: Kannst du mehr über die Radierungen erzählen?
CO: Das ist eigentlich die letzte Arbeit, das ich in Istanbul im Radierstudio der Mimar-Sinan-Universität gemacht habe. Es gibt nur wenige Exemplare in der Serie, aber jedes von ihnen hat viel Zeit in Anspruch genommen. Nachdem ich den zweiten Druck der Serie beendet hatte, flog ich Mitte Juli für fünf Tage nach Berlin, und während ich hier war, geschah ein Staatsstreich in Istanbul. Später haben mir viele Leute erzählt, was sie an diesem Tag erlebt haben. Aber weil ich hier in Berlin war, wusste ich nicht, was in Istanbul wirklich passiert ist. Als ich zurückkam, fand ich alles anders: die Leute, das Studio… Einige Fenster waren zerbrochen, Menschen waren traumatisiert. Sie waren nicht in der Lage, richtig zu sprechen oder ihre Erfahrungen zu erzählen.
EK: Türkische Fahnen überall auf den Straßen….
CO: Ja, ich habe ein völlig anderes Land vorgefunden. Die Leute konnten es nicht erklären, und ich konnte es nicht ganz begreifen – aber es war offensichtlich, dass in diesen fünf Tagen etwas Großes passiert war. So änderten sich auch die Drucke, an denen ich immer noch gearbeitet habe. Yasemin Nur Erkalır vom Radierstudio der Mimar-Sinan-Universität sagte mir: „Vielleicht weiß niemand, was hier passiert ist, aber deine Druckplatten wissen es“, weil meine Druckplatten am Fenstern standen und über den Bosporus blickten. Und sie haben gesehen, wie all die Kampfflugzeuge darüber hinweg flogen, alle Fenster zum Zerbersten brachten. Sie hörten alle Geräusche von den Zusammenstößen auf der Bosporusbrücke und den Massakern ringsum. So trug diese Platte die Erinnerung an diese Zeit bei, die ich nicht hatte miterleben können. Sie wurde für mich zum Symbol der Ereignisse.
EK: Und du arbeitest weiter mit dem auf der Platte gespeicherten Erinnerungen….
CO: Ein Freund von mir, Can Aytekin, der Professor im Radierstudio der Mimar-Sinan-Universität ist, hatte Erinnerungen an das zerbrochene Glas in seinem Haus. Aber er hat sie nicht fotografiert. Also habe ich diese zertrümmerten Stücke in die Komposition eingefügt.
Wie gesagt, ich war gerade dabei, nach Berlin zu ziehen, und ich war nervös. Da die Praxis des Zeichnens in meinem Kopf so sehr mit Istanbul verbunden war, fragte ich mich, ob ich in Berlin weiter zeichnen könnte. Die beiden Zeichnungen sind das Ergebnis meiner Berliner Zeit.
EK: Die linke bezieht sich auf den sozialen Kampf, um die Zerstörung des Emek-Filmtheaters in Istanbul zu verhindern. Du wolltest eine Komposition schaffen, die sich nicht nur auf das Erlebte beschränkt , sondern auch auf das Zukünftige.
CO: Vor dem Gezi-Aufstand hatte der politische Dissens bereits mit dem Kampf um das Emek-Kino begonnen. Das war quasi der Beginn der Ereignisse, die folgten, und der Versammlung der ersten Menschenmengen. Nach den Gezi-Tagen begann ich, wie alle anderen auch, darüber nachzudenken, was passiert ist. So viele Dinge hatten sich verändert, dass die Menschen das, was sie nach dem Bruch von Gezi erlebt hatten, aufnehmen mussten. Zum Beispiel habe ich Freunde, die Filme drehen, und die dann ihre Projekte gestoppt haben und mit neuen Ideen und Filmen erst nach zwei Jahren wieder begonnen haben. Mir wurde klar, dass ich mich nur auf die negativen Seiten des täglichen Lebens konzentriert hatte und das störte mich. Was dabei herauskam, waren Dystopien. Also begann ich nach Gezi darüber nachzudenken, was passiert wäre, wie es aussehen würde, wenn ich versuchen würde, meine Utopien zu komponieren? Es war eine schwie-rige Aufgabe. So nutzte ich das Emek Filmtheater als einen Raum, der von Künstlern, Gezi-Aktivisten oder Menschen besetzt ist, die in einer friedlichen und utopischen Umgebung leben wollen, in der sie Zeit haben, Dinge zu schaffen und an Dingen zu arbeiten, die ihnen gefallen. Darauf habe ich mich in dieser Zeichnung konzentriert. Es gibt tatsächlich eine frühere Version davon, die ich in Istanbul begonnen habe. Darin hielt das Monster in der Mitte ein Blatt Papier in der Hand, und ein Mädchen projizierte ein Bild auf das Papier. Als ich nach Berlin kam, nahm ich die beiden Motive, das Monster und das Emek-Kino, aus dieser Version und überarbeitete die Komposition. Werkstatt 44, das Metallstudio, in dem ich arbeitete, schlich sich in die Arbeit ein. Es knisterte zwischen diesen beiden, und nachdem ich das Bild dieser Machtorganisation bekommen hatte, begann die Zeichnung für mich zu arbeiten.
EK: Das sind Reminiszenzen aus Istanbul. Aber wir sehen auch deine Berlin-Erfahrung.
CO: Ja, ich zeichne auch die Nachbarschaft, in der ich lebe. Das Projektionssystem in der Komposition benötigte eine Energiequelle. Nachdem ich monatelang darüber nachgedacht hatte, beschloss ich, die Quelle in meiner eigenen Nachbarschaft zu finden, und ich fühlte mich wirklich erleichtert. Als ich diese Verbindung hergestellt hatte, begann die Zeichnung zu funktionieren. Ich mag keine Kompositionen, die nicht funktionieren. Jemand filmt hier, die Kreatur fällt herunter, und auch die Leute um die Rekonstruktion im Hintergrund zeigen eine Filmschleife und entspannen sich. Das ist eigentlich meine Utopie, ein entspannter und effizienter Arbeitsplatz. Ich könnte in einer solchen Umgebung leben.
EK: Ständiger Kampf, der sich erneuert und zwischen zwei Städten gespalten ist, und auch eine Brücke zwischen ihnen schafft….. wenn wir die drei Teile der Arbeit zusammen betrachten, können wir den psycho-
logischen Wechsel zwischen den beiden Städten, zwei Geografien, zwei Kulturen nachzeichnen. Der Titel der Ausstellung lautet „Still Here“. Ich habe mich gefragt, was das “hier” im Titel bedeutet.
CO: Meine Einzelausstellung, die ich kurz vor meinem Umzug nach Berlin in Bremen hatte, hieß „You Are Here“. Es war wie die Schilder auf den Karten, die
einem genau anzeigen, wo man sich befindet. Aber wo? Und „Still Here“ hat keine Antwort auf das Wo. Immer noch “hier”, aber wo? Ich weiß es nicht.
Mustafa Pancar
In meinen Collagen, Gemälden und Skulpturen lässt sich beobachten, wie sich ein Künstler beim Umzug von einer Metropole in eine andere von der neuen Umgebung beeinflussen lässt. In den Werken, die im vergangenen Jahr in Berlin entstanden sind, ist deutlich zu erkennen, wie ich die architektonischen Aspekte der neuen Umwelt wahrgenommen habe. Während in meinen früheren Arbeiten immer wieder die Beziehung zwischen Menschen und ihrem alltäglichen Umfeld im Mittelpunkt steht, konzentrieren sich meine Berliner Collagen eher auf formale Strukturen des Städtischen als auf seine Bewohner. Anders als in früheren Arbeiten scheint es so, als würde die menschliche Figur zögern, in diese Szenen einzutreten und ihnen Leben einzuhauchen. Aber um die Figur zu malen, bedarf es einer echten Verbindung mit den Menschen in ihrem sozialen Gebilde. Für mich sind die Fassaden und alle Strukturen eine Mahnung an endlose Erinnerungen, die in der Eigenwilligkeit des menschlichen Lebens und den Gedanken in der Stadt liegen.
Meine narrative Herangehensweise an die Kunst ist daher auch in den Berliner Arbeiten sichtbar. Der Bildraum kann nach einiger Zeit wieder einladend genug sein, damit die menschliche Figur eintreten kann, nachdem ich in den nächsten Jahren die soziale Aura der Umwelt der Stadt untersucht habe Meine dreidimensionalen Arbeiten ähneln Fragmenten der architektonischen Textur der Collagen. Meine gegossenen Fassadenskulpturen von zufälligen Proportionen sind von der gemeinsamen architektonischen Szenerie der Stadt inspiriert und verwandeln sie in eine Art alltägliches Nippes.
Ich würde meine jetzige Situation in Berlin als einen “Übergangsprozess” bezeichnen, und diese “Übergangsreihen von Werken” können als die erste Begegnung mit dem Erleben einer anderen Umgebung und Lebensweise betrachtet werden.
Ezgi Kilicaslan
„Wir waren genau wie ihr“, sagen sie. „Du wirst auf keine der Fragen eine Antwort erhalten. Was wahr ist, ist die Sehnsucht in dir. Versuche, sie aufrecht zu halten.“
Weder Vergangenheit noch Zukunft, weder Leben noch Tod …Gelegentlich im Dazwischen verweilen, weder vor noch zurück, sondern sich immer nach dem anderen sehnen …
Events
Künstlerin im Gespräch / Artist in conversation 01 Ceren Oykut & Erden Kosova
Künstlerin im Gespräch / Artist in conversation 02
Ezgi Kılınçaslan & Erden Kosova
Künstlerin im Gespräch / Artist in conversation 02
Mustafa Pancar & Erden Kosova
Audio Visual Performance
Ceren Oykut , Yuko Matsuyama, Joshua Tennent and KAI.
Teilnehmer_Innen:
Ceren Oykut, Ece Gökalp, Ezgi Kılınçaslan, Lerna Babikyan, Mustafa Pancar
Ort:
Berlin